Energiemangellage

Energiepreise – wie sich Erdgas auf Strom auswirkt

Neben der viel diskutierten Strom- und Gasmangellage und den damit verbundenen Massnahmen sind vor allem die steigenden Energiepreise spürbar. Wie hängen Erdgas- und Strompreis voneinander ab, und wie setzt sich der Strompreis für Privatkunden zusammen?

von Stefan Aeschi

Dipl. Architekt ETH/SIA, DAS Wirtschaft FH, Experte Bau- und Energietechnik beim HEV Schweiz

Warum steigen die Strompreise im Jahr 2023? In den vergangenen Jahren haben tiefe Energiepreise uns fälschlicherweise glauben lassen, dass genug Energie vorhanden sei. Nach dem Wirtschaftsprinzip von Angebot und Nachfrage sinken die Preise bei einem Angebotsüberhang. Die Energieversorgung in der Schweiz stammt aber noch immer zu 70 Prozent aus nicht erneuerbaren Quellen. Somit ist unsere Energie heute ein knappes Gut mit begrenzter Verfügbarkeit. Wenn das Angebot sinkt und die Nachfrage gleichzeitig hoch bleibt, steigen die Preise.

Bereits vor einem Jahr stiegen die Erdgaspreise aufgrund verteuerter CO2-Emissionszertifikate an den europäischen Märkten und den nur teilweise gefüllten Gasspeichern im Inland. Im Frühling dieses Jahres verstärkte sich der Preisanstieg zusätzlich durch die Verknappung der Erdgaslieferungen aus Russland. Erhöhte Erdgaspreise wirken sich direkt auf den Strompreis aus, da in europäischen Staaten länderspezifisch zwischen 15 und 45 Prozent des Stroms aus Erdgas produziert wird. Muss ein Energieversorger mangels mehrjähriger vertraglicher Absicherung zu aktuell gehandelten Preisen Energie zukaufen, bezahlt er ein Vielfaches. Basierend auf den verschiedenen Preiskomponenten ist laut Branchenexperten für 2023 mit einer durchschnittlichen Zunahme des Strompreises um 25 Prozent zu rechnen.

Die fünf Strompreis-Komponenten

Energielieferung, Netznutzung, Systemdienstleistungen, Förderung Energieeffizienz und Bundesabgaben sind die fünf Komponenten, die den Strompreis für Privatkunden massgeblich beeinflussen. Nachfolgend wird auf jede einzelne Komponente eingegangen. Die Kosten für die Produktion von Energie zusammen mit der Netznutzung bilden den Hauptanteil des Strompreises. Neben den Kosten für Systemdienstleistungen kommen noch Abgaben für die Förderung erneuerbarer Energien und Bundesabgaben dazu.

1 Energielieferung

Der Preisanteil für die Energielieferung definiert sich über die Energieproduktionskosten, die in den Kraftwerken anfallen. Der gelieferte Mixstrom wird mehrheitlich durch Wasserkraft erzeugt. Die höheren Beschaffungskosten aufgrund gestiegener Marktpreise, höhere Kosten für Herkunftsnachweise und der Wegfall von Deckungsdifferenzen, die in der Tarifkalkulation 2022 tarifsenkend berücksichtigt waren, führen zu einem deutlichen Anstieg der Energietarife, über alle Energieträger betrachtet, von über 50 Prozent.

2 Netznutzungstarife

Über die Netznutzung werden der Bau, der Betrieb und der Unterhalt zur Aufrechterhaltung eines sicheren und zuverlässigen Stromnetzes finanziert. Steigende Kosten der vorgelagerten Netzebenen, höhere Kosten für Wirkverluste aufgrund gestiegener Marktpreise für Energie und erhöhte Investitionen ins Netz sowie stark gestiegene Beschaffungskosten für Energie zur Deckung der Wirkungsverluste lassen die Netznutzungstarife gegenüber dem Vorjahr um etwa 8 Prozent steigen. Unter vorgelagerten Netzebenen sind vorgelagerte Netzbetreiber zu verstehen. Sie verrechnen genauso die Kosten für den Unterhalt, die Erneuerung, den Ausbau und Betrieb ihrer Netze über ihren Netznutzungstarif. Diese Kosten trägt der Endbetreiber mit und verrechnet sie darum den Kunden durch die Erhöhung des Netznutzungstarifs.

Wirkverlust bedeutet, dass nicht die gesamte im Kraftwerk erzeugte elektrische Energie auch beim Endverbraucher ankommt. Unterwegs geht ein einstelliger Prozentsatz der elektrischen Energie durch Widerstand in den Stromleitungen verloren. Die Kosten für diese Energie werden den Netzkosten zugeschlagen. Steigen die Marktpreise für Energie, erhöhen sich die Kosten für die Wirkverluste und somit auch die Netztarife. Die Netz- und Energiekosten werden pro verbrauchte Kilowattstunde abgerechnet. Dazu kommt der Grundpreis, der die Fixkosten – wie beispielsweise die Erstellung der Rechnung oder den Kundendienst – deckt.

3 Allgemeine Systemdienstleistungen

Mit den Systemdienstleistungen werden die Kosten für die Aufrechterhaltung einer konstanten Spannung und Frequenz im Netz gedeckt. Dafür sorgt die nationale Netzgesellschaft Swissgrid.

4 Förderung der Energieeffizienz

Mit den Abgaben zur Förderung der Energieeffizienz werden vergünstigte Energieberatungen, Förderprogramme und Angebote für Schulen finanziert.

5 Bundesabgaben

Die Bundesabgaben dienen der Finanzierung des schweizweiten Ausbaus erneuerbarer Energien und der ökologischen Sanierung der Wasserkraft. Die Abgaben sowie die Systemdienstleistungen werden ebenfalls pro verbrauchte Kilowattstunde abgerechnet. Die Bundesabgaben für erneuerbare Energien bleiben 2023 unverändert.

Grosse Bandbreite beim Preisanstieg

Der Strompreisanstieg ist von Stromversorger zu Stromversorger unterschiedlich und liegt teilweise weit auseinander. Ausschlaggebend für den Anstieg ist hauptsächlich der Eigenstromproduktionsgrad des Stromversorgers respektive die Menge des seitens Versorger am Markt zu beschaffenden Stroms. Die Marktpreise sind zurzeit sehr hoch, weshalb Versorger die Mehrkosten für den teuren Marktbezug dem Endkunden weiterverrechnen – dies im Gegensatz zu früheren Jahren, als die Preise an den Grosshandelsmärkten tief waren und Endkunden davon profitieren konnten. Versorger mit hoher Eigenproduktion verrechnen die Gestehungskosten der eigenen Kraftwerke und weisen daher moderate Preisanstiege oder gar keine aus. Die Bandbreite der Strompreisentwicklung ist demnach gross und von der Beschaffungsstrategie und damit verbundenen Beschaffungszwängen des Energieversorgungsunternehmens abhängig.

Stromverbrauch im Haushalt

Gebäude mit übermässigem Energiebedarf treiben Durchschnittswerte in die Höhe. Deshalb ist der durchschnittliche jährliche Stromverbrauch eines Haushalts von 4500 kWh pro Jahr zu relativieren. Hier gilt es, den typischen Haushalt vom durchschnittlichen Haushalt zu unterscheiden. Haushalte mit Elektroheizung oder elektrischer Wassererwärmung heben den durchschnittlichen Stromverbrauch deutlich an. Typische Haushalte sind mit keinem dieser Systeme ausgestattet. 30 Prozent der Schweizer Bevölkerung leben in einem Zwei-Personen-Haushalt. Einfamilienhäuser benötigen gegenüber Mehrfamilienhaus-Wohnungen rund 20 bis 30 Prozent mehr Strom bei gleicher Personenbelegung. Für aussagekräftige Vergleiche zum Stromverbrauch sind demnach die Wohnsituation und die Anzahl im Haushalt lebender Personen ausschlaggebend. Zudem ist zu beachten, dass bei Mehrfamilienhäusern die Kosten des Allgemeinstroms nicht in der individuellen Stromrechnung, sondern in den Nebenkosten aufgeführt sind. Aufgrund der zunehmenden Elektrifizierung unseres Alltags ist zu erwarten, dass der Stromverbrauch eines Haushalts trotz immer effizienterer Geräte in den nächsten Jahrzehnten steigen wird.

Artikelserie

In einer Artikelserie widmet sich der HEV Schweiz der jeweils aktuellen Energielage, den Massnahmen zur Stärkung der Versorgungssicherheit auf Bundesebene sowie konkreten, handfesten Energiespartipps. Die bisher erschienenen Beiträge können Sie in unserem Dossier Energiesparen nachlesen.

Stromverbrauch eines typischen Haushalts

32 % für Kochen, Spülen, Kühlen

19 % für Elektronik (Unterhaltung, Büro)

16 % für Waschen und Trocknen

13 % für Allgemeinstrom (Gebäudetechnik)

10 % für Beleuchtung

10 % für diverse Kleingeräte inkl. Staubsauger