Von Wellness-Resorts bis zu aussergewöhnlichen Hotels, von Restaurants bis zu Ausstellungsinstallationen – die Arbeiten von Ushi Tamborriello und ihrem Team überzeugen stets durch Stilbewusstsein und vielschichtige Stimmungswelten. Diese ermöglichen sinnliche Erfahrungen, die weit über reine Ästhetik hinausgehen. Die Innenarchitektin und Szenenbildnerin mit Atelier in Rieden bei Baden gründete 2004 das Studio ushitamborriello und hat sich mit ihren durchdachten, raffinierten und originellen Konzepten internationales Ansehen erarbeitet.
Das Bad als Bühne
Für den süddeutschen Armaturenhersteller Axor entwickelte Tamborriello mit ihrem Team ein 15 Quadratmeter grosses Badkonzept. Schnell war für sie klar: Wohnen ist immer individuell geprägt – und das gilt gerade auch für die Badgestaltung: «Die Produkte des Armaturenherstellers kreisen um die Begriffe der Individualität, der Personalisierung und letztlich um die Persönlichkeit der Anwenderinnen und Anwender», erklärt Tamborriello. «Uns wurde schnell bewusst, dass wir uns einer fiktiven Persönlichkeit szenografisch am besten annähern. Mit dieser Erkenntnis öffneten sich gestalterische Welten. Wir haben uns von neuen möglichen Materialien für die Armaturen, Waschtische und die Accessoires inspirieren lassen; von dunklen Hölzern, Bronze und Marmor. Die Steinbrüche von Carrara wurden zum Thema, auch Michelangelo und seine Idee der Befreiung der Skulptur vom Stein.» Doch letztlich war es der Schwarzwald, der zur erzählerischen Kulisse wurde – und zur Quelle für das ikonografische «Waldmärchen» von Hänsel und Gretel.
Märchenhafte Dualität in Form und Funktion
Der Raum ist konzipiert als privates Badezimmer eines modernen Hänsel und einer zeitgemässen Gretel und spiegelt die beiden imaginären Protagonisten wider – mit all ihren Unterschieden. Die unterschiedlichen Charaktere zeigen sich auch in der Produktauswahl, etwa bei Waschbecken und Accessoires.
Die Geschichte ist vertraut, aber Tamborriello erweitert die Erzählung, fragt sich, wie das berühmte Geschwisterpaar wohl heute im Hier und Jetzt leben würde und wie sich diese unterschiedlichen Charaktere im Raum spiegeln lassen. Aus der Verschiedenheit beider Figuren entwickelte Tamborriello mit ihrem Team ein Raumkonzept mit einer ganz eigenen Spannung. Bis hin zu den einzelnen Armaturen treibt die Inszenierung die Erzählung spielerisch voran. Hänsel wählt beispielsweise einen quadratischen Waschtisch, während Gretel die runde Version bevorzugt. Die My-Edition-Armaturen krönen beide Waschtische, bei Gretel mit einer Platte aus amerikanischem Nussbaum und Polished Red Gold Finish, bei Hänsel mit einer weissen Marmorplatte und Matt Black Finish. Diese gestalterische Dualität durchzieht das gesamte Design – vom hellen Marmor an den Seitenwänden bis zum dunklen Boden- und Deckenmarmor.
Erzählerische Tiefe
Das märchenhafte Setting im Schwarzwald prägte auch die räumliche Struktur: «Wir wollten die 15 Quadratmeter auf eine gut durchdachte und innovative Weise nutzen», so Tamborriello. Das Konzept orientiert sich nicht nur horizontal, sondern auch vertikal. Ein dominanter Rahmen gliedert das Bad in zwei Bereiche: einen aktiven vorderen Raum mit Waschtischen, Schrankflächen und Sitzgelegenheiten sowie einen kontemplativen hinteren Bereich mit Badewanne und Dusche, die einen grossartigen Ausblick in die Landschaft bieten.
Eine filigrane Schwimmbadleiter verbindet symbolisch beide Raumsequenzen und steht exemplarisch für die Verschmelzung von Funktion und Poesie. Subtile Beleuchtung schafft in allen Bereichen eine intime und erholsame Atmosphäre. Ein geriffeltes Glasfenster im Duschbereich sorgt für Privatsphäre, ohne dass der Bezug zur Aussenwelt verloren geht.
«Unser Ziel war es, das Projekt zu einer tragfähigen, räumlichen Aussage zu führen, poetisch, aber auch in der Lage, den Stürmen des Alltags standzuhalten.» Die Installation Gretel & Hänsel trifft damit einen Nerv unserer Zeit: den Wunsch nach Rückzugsorten, die zugleich Bühne der Selbstverwirklichung sind.
«Wohnen ist immer individuell geprägt – und das gilt gerade auch für die Badgestaltung.»









