Das ehemalige Schulhaus Mättenbach liegt etwas ausserhalb des Dorfes Madiswil (BE), eingebettet in eine sanfte, grüne Hügellandschaft. Seit 1986 lebt und arbeitet Familie Geiser hier. Im Erdgschoss und im ersten Obergeschoss ist vieles so geblieben, wie es war; der Fussboden aus roten Zementfliessen im Eingangsbereich oder die eingebauten Schränke aus Holz. Steigt man aber weiter die Treppen hoch bis ins Dachgeschoss, gelangt man in eine moderne und helle Wohnung. In enger Zusammenarbeit mit den Architekten der Wagner + Boss GmbH haben Sarah Geiser und Sacha Blank ihre Familienwohnung geplant. Im Oktober 2023 konnten sie mit ihren beiden Kindern einziehen.
Vom Schulhaus zum Mehrgenerationenhaus
Bauherrin Sarah Geiser wurde in diesem Haus geboren und ist mit ihren drei Brüdern hier aufgewachsen. Gekauft haben ihre Eltern das ehemalige Schulhaus 1986, als sie auf der Suche nach einem geräumigen Haus für ihren Teehandel waren. Das Schulhaus wurde 1850 gebaut und bot nicht nur rund 100 Schülern und Schülerinnen Platz zum Lernen, sondern auch den beiden Lehrpersonen Raum zum Wohnen: Über den Schulzimmern befanden sich im ersten Obergeschoss zwei separate Wohnungen für den Lehrer und die Lehrerin. Heute ist das ehemalige Schulhaus ein Mehrgenerationenhaus: Im Erdgeschoss wohnt der Vater der Bauherrin, im Dachgeschoss die Bauherrin mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern. Das erste Obergeschoss ist zurzeit nicht bewohnt.
Der Pausenplatz im Wohnzimmer
In der umgebauten Dachwohnung ist an der Decke und an den Wänden die alte Holzkonstruktion sichtbar. Diese wurde bewusst in die Raumgestaltung integriert und bildet einen direkten Kontrast zum modernen, hellen Ausbau. Die Architekten haben bei der Sanierung der Aussenhülle die Fassadendämmung an der äusseren Tragekonstruktion angebracht, um so das Fachwerk im Innern zu zeigen. Denn die alten Holzbalken sind nicht nur ein ästhetisches Stilelement, sie erzählen auch Geschichten vom früheren Alltag im Haus. «Ich kann mir die herumspringenden Schulkinder lebhaft vorstellen», sagt Sarah Geiser. Nun sind es ihre eigenen beiden Kinder, die hier herumspringen und spielen. Dieses Haus stand von Anfang an jedem Besucher offen – Schüler und Schülerinnen gingen hier ein und aus, und auch bei ihren Eltern stand das Haus für Freunde und Bekannte immer offen.
Die Idee eines offenen Hauses voller Leben wurde beim Ausbau des Dachstocks fortgeführt: Das Herzstück der Dachwohnung ist der offene und grosszügige Wohnbereich (1). Dieser wurde bewusst als Familienraum konzipiert und auf die Bedürfnisse aller Bewohner ausgerichtet. So war es der Wunsch der Bauherrin, einen grossen Tisch zu integrieren, an dem sich das Familienleben abspielt. Die Kinder haben keine Schreibtische in ihren Zimmern, ihre Hausaufgaben machen sie am Esstisch. Hier wird gearbeitet, gespielt und gegessen. Die Schaukel in der Galerie erinnert indes an einen Pausenplatz. «Unsere Kinder sind gerne zu Hause», sagt Sarah Geiser. «Das zeigt mir, dass sie sich hier wohlfühlen.»
Herausforderung Licht
«Eine grosse Herausforderung beim Umbau war, Licht in die Räume zu bringen», erklärt Raffael Boss, Co-Geschäftsführer bei der Wagner + Boss GmbH. Wie viele alte Häuser war auch das ehemalige Schulhaus mit kleinen Fenstern ausgestattet. Erschwerend kam hinzu, dass sich das Gebäude in der Landwirtschaftszone befand und strengen baulichen Vorschriften unterlag (siehe Kasten). Um das äussere Erscheinungsbild des Hauses zu wahren, durften keine zusätzlichen sichtbaren Gebäudeöffnungen eingebaut werden; lediglich bereits vorhandene Öffnungen konnten angepasst werden. So mussten sich die Architekten kreative Lösungen ausdenken, wie zum Beispiel den Glasboden über der Kochinsel (2): Durch diesen fällt das Licht der beiden Dachfenster in der Galerie bis in die Küche (3).
Nutzen konnten die Architekten auch die Fensterfront im Wohnbereich, die aus ursprünglich vier kleineren Fenstern bestand (6). Diese wurden auf Bodentiefe vergrössert und um drei Fenster erweitert. Damit sich das Gebäude trotz der baulichen Eingriffe ins traditionelle Umgebungsbild einfügte, wurden vor den zusätzlichen Fenstern Holzlamellen angebracht (5), und vor die Fensterfront wurde in ortsüblicher Bauweise ein Balkon angebaut. Von aussen sind so weder die zusätzlichen Fenster noch ihre erweiterte Grösse erkennbar (7).
Für Licht in den Zimmern sorgen auf beiden Seiten des Daches vier Dachfenster. Diese mussten zwar gemäss Bauvorgaben in einer Reihe angeordnet werden, durften aber auf den beiden Dachseiten versetzt platziert werden. Dies ermöglichte es den Architekten, die Dachfenster gezielt auf die Zimmer zu verteilen und so die Lichtquellen bestmöglich zu nutzen.
Drei Fakten zum Bauen ausserhalb der Bauzone (Landwirtschaftszone)
1 Die Landwirtschaftszone ist keine Bauzone. Objekte, die in der Landwirtschaftszone stehen, befinden sich folglich ausserhalb der Bauzone. Um zonenfremd ausserhalb der Bauzone bauen zu können, braucht es eine Ausnahmebewilligung.
2 Grundsätzlich muss bei jedem Umbau in der Landwirtschaftszone die Wesensgleichheit / das Erscheinungsbild des Gebäudes gewahrt werden. Gewisse Erweiterungen des Wohnraums sind möglich. Gemäss Art. 42 RPV (Raumplanungsverordnung) kann die anrechenbare Bruttogeschossfläche um 60 % im bestehenden Gebäude erweitert werden. Eine Erweiterung nach aussen ist nur in sehr seltenen Fällen möglich.
3 Insbesondere beim äusseren Erscheinungsbild muss die Wesensgleichheit der Liegenschaft gewahrt werden. So können zum Beispiel bestehende Öffnungen verglast werden, zusätzliche Öffnungen hingegen dürfen nicht explizit in Erscheinung treten (hier im Beispiel verdeckt durch Holzlamellen). Je nach Objektgrösse dürfen ein oder mehrere Dachfenster in regelmässigem Abstand eingebaut werden. Sowohl die Anzahl wie auch die Grösse ist nicht bei jedem Objekt und nicht in jedem Kanton gleich. Bei einer Sanierung muss grundsätzlich wieder das gleiche Baumaterial verwendet werden, d. h. besteht die Hausfassade aus Holz, muss auch wieder Holz verwendet werden.
Leseraufruf: Wie wohnen Sie?
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