Gartenwissen

Den Garten einwintern: Muss das sein?

Was lange Zeit Gebot im Gartenherbst war, wird vermehrt infrage gestellt, nämlich das resolute Ausputzen des Gartens im Herbst und Winter.

von Judith Supper

Journalistin

Geschnittene und in Form gebrachte Gehölze, Stauden, einen Fingerbreit über dem Boden abgeschnitten, und kein Blatt auf Rabatten und Beeten, stattdessen offenes Erdreich. Noch vor 20 Jahren galt dies hinlänglich als Standard, wenn im Oktober und November der Garten «eingewintert» wurde. Doch die Gartenkultur verändert sich, Herausforderungen wie der Klimawandel und die Biodiversitätskrise haben längst im heimischen Grün Fuss gefasst. Hinzu kommen veränderte ästhetische Vorstellungen. Warum die vertrockneten Blütenstände des Brandkrauts abschneiden, wenn Frost und Schnee sie in solch charmante Kunstwerke verwandeln?

Wann die Gehölze schneiden?

«Dass in vielen Gemeinden der Häckseldienst schon im Oktober angeboten wird, setzt sicher ein falsches Zeichen», sagt Peter Wechsler, Naturgartenexperte des Thurgauer Gartenbauunternehmens Winkler Richard Naturgärten. «Denn das signalisiert, dass Bäume und Sträucher zu diesem Zeitpunkt schon geschnitten sein müssen. Aber das ist falsch.» Er weiss: «Viele Gartenbesitzer verlangen von ihren Gärtnern schon im Oktober den Schnitt, um zu vermeiden, dass das Laub zu Boden fällt. Doch solange Bäume und Sträucher ihr Laub tragen, fliesst der Pflanzensaft. Durch Scheren und Sägen zugeführte Wunden schädigen die Pflanzen, weil in den Wintermonaten keine Wundheilung erfolgt.» Speziell im Oktober und November 2023 hätten die Gehölze ihr Laub erst spät verloren. «Und solange es noch nicht zu Boden gefallen ist, gilt: keine Schnittarbeiten.»

Peter Wechsler startet erst im Dezember mit dem Winterschnitt. «Das ist klassisches Gärtnerwissen, denn im laublosen Zustand sieht man besser, welche Zweige und Äste entfernt werden sollen. Das macht die Arbeit einfacher.» Allerdings sei auch dann die Wundheilung nicht ideal. «In vielen Fällen ist der Sommerschnitt von Gehölzen die bessere Lösung.»

Ein sauberer Garten wird erwünscht

«Viele Kunden wünschen sich einen geordneten, sauberen Garten und möchten kaum etwas selbst machen», sagt Benjamin Bosshard, Geschäftsleiter der Gartenkultur AG aus dem bernischen Urtenen-Schönbühl. 2021 wurden vier von der Gartenkultur AG designte Gärten zu «Gärten des Jahres» gekürt, eine Auszeichnung, die jährlich vom Münchner Callwey-Verlag ausgelobt wird und welche die 50 schönsten Privatgärten im deutschsprachigen Raum auszeichnet. «Früher war es eher üblich, dass man einen Nutzgarten oder Obstgehölze selbst kultivierte. Heute ist das weniger der Fall», so Bosshard. Was den Staudenrückschnitt anbelangt: «Gewisse Stängel und Blütenstände haben durchaus einen ästhetischen Charakter, andere nicht. Ich finde nicht, dass man alles stehen lassen sollte, aber Gewisses durchaus.»

Für Benjamin Bosshard gehören zu den essenziellen Herbstarbeiten das Einwintern der Bewässerungssysteme sowie der Pools. Dazu, je nach Garten und Kundenwunsch, Rückschnittarbeiten und, solange die Temperaturen es erlauben, Pflanzarbeiten. Und während Naturgärtner Peter Wechsler Herbstlaub nur von Rasenflächen, Wegen und Plätzen entfernt – «es ist eine essenzielle Ressource im Nährstoffkreislauf des Gartens» –, machen Bosshard und sein Team das entsprechend dem Kundenwunsch. «Sonst bläst der Wind es wieder auf die Terrasse, den Rasen oder die Wege.»

«Die Menschen sind für diese Themen empfänglich»

Das pauschale Leerräumen des Gartens auf den Winter hin scheint Vergangenheit zu sein. Das entspricht auch der Erfahrung derjenigen, welche die Ausbildung von Gärtnerinnen und Gärtnern mitverantworten. Matthias Plüss ist Leiter Grundbildung beim Gärtnermeisterverband des Kantons Zürich (GVKZ): «In der Vergangenheit war es oft gang und gäbe, dass Kundinnen und Kunden ein resolutes Ausputzen des Gartens verlangt haben», sagt er. «Aber wir wissen, wie wichtig Herbstlaub als Boden- und Winterschutz für den Garten ist und vermitteln das zum Beispiel auch in unseren überbetrieblichen Kursen.» Bei Gartenbesitzern gibt es nach wie vor verschiedene Sichtweisen: «Manche wollen es sehr sauber, andere nicht. Und man muss differenzieren: Von Pilz- und Bakterien erkranktes Laub sollte nicht im Garten verweilen. Das alles erfordert Fachwissen. Aber ich bin davon überzeugt, dass ein Wandel angestossen wurde, der ganz klar in Richtung ‹mit der Natur arbeiten› zeigt.»

Dass die Grüne Branche sich der Verantwortung für den naturnahen Unterhalt und die Biodiversität bewusst ist, zeigt der neue Lehrgang «Fachperson Biodiversität», der seit Anfang 2022 im Bildungszentrum des GVKZ in Pfäffikon ZH angeboten wird. Der Lehrgang richtet sich an Gärtnerinnen und Gärtner, die Grünräume als Lebensräume verstehen und sie im Hinblick auf Biodiversität und Klimaresilienz gestalten und pflegen wollen. Das Thema trifft auf grosses Interesse. Aktuell nehmen 40 Personen am Lehrgang teil – sehr zur Freude der Organisatoren.

Das pauschale Leerräumen des Gartens auf den Winter hin scheint Vergangenheit zu sein.

Den Garten einwintern im November

Gräser zusammenbinden bzw. mit trockenem Laub oder Vlies vor Sonne und Kälte schützen.

 

Bewässerungssysteme einwintern.

 

Pflanzen, deren Laub durch Mehltau oder andere Krankheiten geschädigt ist, abschneiden und das Pflanzenmaterial in den Hausmüll geben.

 

Laub von Wegen, Plätzen und der Einfahrt – überall dort, wo man darauf ausrutschen könnte – entfernen, ebenso auf Rasenflächen.

 

Frostempfindliche Pflanzen durch Vliese oder Laubhaufen schützen.

 

Empfindliche Stauden wie Prachtkerze (Gaura), Mädchenauge (Coreopsis) oder Kokardenblume (Gaillardia) zurückschneiden, so dass sie Blattrosetten bilden können.

 

Schnittarbeiten an Gehölzen idealerweise erst im neuen Jahr angehen.