Bauen mit Holz

Das Prinzip Scheibe

Wohnen Das Luzerner Büro Roman Hutter Architektur passt einen Vollholzneubau harmonisch ins Zuger Loreto-Quartier ein.

von Andrea Eschbach

Journalistin, Zürich

Das Loreto-Quartier liegt erhöht hinter dem Bergliwald mit schönstem Blick auf Zug und den See. Hier steht eine Siedlung aus locker verstreuten Vorstadtvillen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Unaufgeregt passt sich seit Kurzem ein Ersatzneubau ein.

Die Bauherrschaft hatte bereits über 40 Jahre lang im Vorgängerbau gelebt. Zunächst überlegte sie, das Dreifamilienhaus zu sanieren. Dann jedoch entstand die Idee, zu verdichten und einen Holzbau mit fünf Wohnungen zu realisieren. Sie gab eine Machbarkeitsstudie in Auftrag und schrieb dann einen Wettbewerb auf Einladung aus. Der Auftrag ging an das Luzerner Büro Roman Hutter Architektur. Der Bauherrschaft war es wichtig, dass Holz eingesetzt wird. Ihr hatte zudem gefallen, wie Roman Hutter Architektur bereits in Goms damit mehrere Bauten realisiert hatte.

Ökologischer Vollholzbau

«Der Wunsch der Bauherrschaft nach einem ökologischen Holzbau verlangte die Auseinandersetzung mit dem Material und einer materialgerechten Struktur», sagt Projektleiter Sven Gehrig. In Zusammenarbeit mit Küng Holzbau Alpnach und Widmer Partner Baurealisation Zug wurde daher eine zweischalige, leimfreie Vollholzkonstruktion realisiert, die ein Maximum an Wohnqualität schafft und die Anforderungen an Ökologie und Nachhaltigkeit spielend erfüllt. Als Blaupause diente das konstruktive Prinzip, das auf der Scheibe basiert. «Wir liessen uns von dem Thema der klassischen Moderne inspirieren, wie beispielsweise von Mies van der Rohes Barcelona Pavillon oder Alvar Aaltos Wohnhaus.» Auch in ihrem Neubau besteht das Haus aus Scheiben und rein strukturellen Öffnungen – sprich, die Fenster werden nicht aus dem wertvollen Wandmaterial gefräst, sondern zwischen die Elemente positioniert. Massiv sind nur der Betonsockel und das Treppenhaus. Über dem Sockel beherbergen drei Geschosse aus gestapeltem Holz insgesamt fünf Wohnungen. Das vielfältige Wohnungsangebot – von der 1,5-Zimmer- über die 4,5-Zimmer- bis hin zur Attikawohnung – garantiert eine durchmischte Bewohnerschaft, was zu einem belebten und damit lebenswerten Wohngebäude führt.

Der Eingang ins Gebäude führt über das Untergeschoss. Kopfsteinpflaster und Betonwände bestimmen den schmalen, nicht gedeckten Zugang, an dessen Ende man einen Brunnen plätschern hört. «Ein kleines Willkommen», sagt Gehrig. Die von der Bauherrschaft selbst bewohnte Erdgeschosswohnung erstreckt sich über 4,5 Zimmer. Auch im Innern sind Decken und Wände komplett aus sorgsam ausgesuchtem Zuger Fichten- und Weisstannenholz gefertigt. Innentüren und Fensterrahmen sowie Fenstersimse beziehungsweise Sitzbänke sind in dunklem Schwedengrün gestrichen – was einen angenehmen Kontrast zum warmen Material des Holzes bietet, aber auch bestens mit dem Grün des Gartens harmoniert. Auch sämtliche Einbauten sind in Schwedengrün gehalten. Das Schlafzimmer, das sich zur Morgensonne hin orientiert, ist gemeinsam mit dem Badezimmer von den anderen Räumen getrennt. Die Raumabfolge ist wie ein Rundlauf gestaltet: Überall dort, wo die konstruktiven Elemente aufhören, sind Schiebetüren angebracht. So lässt sich die offene Küche schnell mit zwei Schiebetüren schliessen. Die sparsam möblierte Wohnung mit Loggia öffnet sich in drei Himmelsrichtungen zum Garten hin. Bei der Neuanlage des Gartens wurden viele alte Bäume übernommen und mit neuen Pflanzen gemischt. Pergolas erweitern den Wohnraum nach aussen. Zusätzlich gibt es gemeinschaftlich genutzte Aussenflächen, wo die Hausgemeinde sich auch mal zum Grillieren trifft.

Gestapelte Volumen

Die Fassade ist geprägt von Vor- und Rücksprüngen und nimmt damit Bezug auf die Nischen und Erker der umliegenden Bauten. Die Simse sind von unten nach oben zurückfliehend gestaffelt, die dadurch entstehenden Vorsprünge ergeben immer mehr Vordach nach oben hin. Dach, Simse und Rahmen sind in Schwedengrün lackiert. Olivfarbene Markisen setzen weitere Farbakzente, die Geländer sind aus verzinktem Stahl gefertigt, die Spenglerarbeiten aus vorpatiniertem Titanzink. «Wie das Holz werden auch sie Patina ansetzen und in Würde altern», sagt Gehrig.

Für ihren stimmigen Entwurf, der so aussieht, als habe er schon immer dagestanden, bekamen die Architekten kürzlich den «best architects 24»-Award verliehen.

Das Haus besteht aus Scheiben und rein strukturellen Öffnungen.